Heilpädagogische Praxis Anschwung
Das Zentrum für bewegte Familien.

ANSCHWUNG-Gewaltschutzkonzept


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
2. Definition Vernachlässigung
3. Risikoanalyse
4. Unser Leitbild
5. Personal
6. Kinderrechte / Partizipation / Familien
7. Prävention
8. Zusammenarbeit mit Behörden


1. Einführung
Unsere heilpädagogische Praxis Anschwung ist eine vom BHP zertifizierte heilpädagogische Einrichtung mit zwei Standorten. Angeboten werden die Bereiche:
- heilpädagogische Frühförderung
- SI Mototherapie und -Diagnostik®
- Marburger Konzentrationstraining MKT
- positive/systemische Beratung
All diese Angebote finden mobil oder ambulant mit festen Terminen einmal wöchentlich statt.
Um den unterschiedlichen Bedürfnissen unserer Klienten gerecht zu werden, ist es uns wichtig, in einem Team unterschiedlichen Ausbildungen, Schwerpunkten und Ressourcen tätig zu sein.

Bei uns sind circa 14 Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen tätig:
- Heilpädagog*innen
- Motopäd*innen
- Kindheitspädagog*innen
- Erzieher*innen
- Rehabilitationspädagog*innen
- SI-Mototherapeut*innen®

Das Wohl und das Wachsen, die Entwicklung der Kinder und deren Familien steht für uns im Mittelpunkt, ebenso wie das Wohl unserer Mitarbeiter*innen.
Dies schließt den damit verbundenen Schutzauftrag und die Sicherung der Rechte von Kindern und den Mitarbeiter*innen unbedingt ein.

2. Definition Vernachlässigung
Als Vernachlässigung bezeichnet man eine wiederholte oder dauerhafte Unterlassung fürsorglichen Handelns der für die Sorge des Kindes verantwortlichen Personen, also der Eltern oder anderer autorisierter Betreuungspersonen.

Die körperlichen, seelischen, geistigen und materiellen Grundbedürfnisse eines Kindes müssen befriedigt werden. Hier geht es um:
- Angemessene Ernährung
- Pflege und Kleidung
- Angemessene Unterbringung
- Gesundheitssorge
- Materielle Ressourcen die zur altersgerechten Entwicklung notwendig sind
- Emotionale, intellektuelle und erzieherische Förderung
- Der Schutz des Kindes muss gewährleistet werden

Bei Anschwung definieren wir die Vernachlässigung eines Kindes als Beziehungsstörung, da die Erziehungsberechtigten nicht fähig sind, eine fürsorgliche und verantwortungsvolle Elternrolle einzunehmen.
Eigene Biographien der Eltern sowie Lebenskrisen können zu solchen Vernachlässigungen führen.

Formen der Vernachlässigung:
Betroffen sind verschiedene Bereiche der Grundbedürfnisse der Kinder:
- Unzureichende Aufsicht
- Körperliche Vernachlässigung
- Psychosoziale Vernachlässigung
- Emotionale Vernachlässigung
- Kognitive Vernachlässigung

Eine Checkliste möglicher Anzeichen und deren Interpretation liegt abgeheftet in unserem Büro und wird bei jeder Gefahreneinschätzung mit hinzugenommen.
Die Bewertung der unterschiedlichen Beobachtungen müssen im Team miteinander vorgenommen werden. Eigene Werte und interkulturelle Unterschiede finden hier Berücksichtigung.

Checkliste zur Beobachtung:

Fürsorge:
- Sind die Eltern trotz ihrer eigenen Einschränkungen in der Lage die Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen und verantwortlich zu handeln?
- TV Konsum? Wieviel und was?
- Ist das Kind sich über längere Zeit, nicht altersentsprechender/ entwicklungsstandabhängiger Zeitraum, allein überlassen.
- Sind die Eltern suchtabhängig?
- Die Bezugspersonen wechseln ständig im häuslichen Umfeld.
- Das Wohnumfeld ist nicht kindgerecht und sicher gestaltet
- Das Kind ist sich selbst überlassen in der Befriedigung der Grundbedürfnisse
- Der Tagesablauf ist nicht strukturiert.

Körperpflege:
- Das Kind ist ungewaschen.
- Mundhygiene des Kindes findet keine Beachtung
- Durchnässte Wäsche
- Dreck- und Stuhlreste im Genitalbereich/Gesäßbereich
- Hautbild, Ekzeme, Entzündungen

Kleidung:
- Kaputte, fleckige Kleidung
- Ständig nicht ausgetauschte, gleiche Kleidung
- Keine passende Kleidung
- Keine witterungsgemäße Kleidung

Ernährung:
- Das Kind nimmt kaum Gewicht zu
- Das Kind wächst langsamer als andere Kinder
- Das Kind wirkt hungrig und durstig wenn es von den Eltern gebracht wird
- Beim Hautfaltentest am Bauch bleibt die Hautfalte stehen oder verstreicht nur langsam

Krankheitsfürsorge:
- Das Kind kommt häufig krank in die Einrichtung
- Das Kind wird auffallend häufig von den Eltern krankgemeldet und kommt nur unregelmäßig
- Arztbesuche erfolgen nicht
- Entwicklungsverzögerungen werden nicht wahrgenommen, sogar negiert
- Behinderungen werden nicht wahrgenommen, sogar negiert
- Verweigerung von Zusammenarbeit oder Aufnahme therapeutischer Arbeit
- Interessenlosigkeit der Erziehenden für die Förderung und die Entwicklung des Kindes

Umgang mit dem Kind:
- Wenig Ansprache und Unterhaltung mit dem Kind
- Das Spielzeug ist nicht altersentsprechend, es wird nicht mit dem Kind gespielt
- Keine körperliche Nähe, wie Trost, Lob, Zuwendung, Zärtlichkeit, Bestätigung
- Das Kind wird oft ignoriert
- Einschüchterung des Kindes
- Zuwendung nur nach Bedürfnisse der Eltern
- Entwicklungsangebote zur Persönlichkeitsentwicklung:
- Eltern können das Kind nicht oder nur unzureichend beschreiben
- Keine Kenntnisse über Bedürfnisse, Wünsche, Interessen des Kindes
- Kaum Kontakt zu anderen Kindern im häuslichen Umfeld
- Kaum Bewegungsfreiheit / Bewegungsmöglichkeiten im häuslichen Umfeld
- Interessen des Kindes werden nicht abgefragt und /oder berücksichtigt
- Altersgemäße Beschäftigungsmaterialien sind nicht vorhanden
- Keine Grenzen in der Erziehung
- Zu enge Grenzen in der Erziehung
- Keine Erklärungen für Regeln, Grenzen, Verbote
- Das Kind wird zu Aufgaben eingesetzt, die nicht altersgemäß sind.
- Keine Freizeitmöglichkeit für das Kind
- Kind muss immer wieder Konflikte der Eltern sehen/hören
- Ständig wechselnde Bezugspersonen
- Psychisch labile Eltern
- Das Kind ist häufig alleine zuhause ohne Aufsicht und Betreuung
- Das Kind wird häufig angeschrien und /oder körperlich gezüchtigt
- Das Kind wird eingesperrt

Praxisbesuch:
- Häufiges zu spät kommen zur Förderung
- Erscheinen zu falschen Uhrzeiten
- Das Kind wird nicht abgemeldet
- Verspätetes Abholen des Kindes nach der Förderung
- Materialien zur Förderung fehlen
- Unterschriften werden nicht geleistet
- Kooperationen werden nicht gestattet (keine Schweigepflichtsentbindung zum Austausch)
- Bestehen Fragen oder Bedenken zum Kindeswohl wird der Austausch mit anderen Einrichtungen gesucht.

3. Risikoanalyse
In unserem Gewaltschutzkonzept berücksichtigen wir unsere gesamte Praxis mit all ihren Tätigkeitsfeldern. Mit der Risikoanalyse gehen wir den ersten Schritt zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden für die Verletzlichkeiten unserer Klienten und die Risiken für Machtmissbrauch und Gewalt in manchen Arbeitsbedingungen.
In den Sanitärräumen, dem Büro und Wartebereich machen wir Familien und Mitarbeiter*innen auf die Riskoanalyse aufmerksam und mit den Möglichkeiten der Teilnahme vertraut.

Schwerpunkte und Fragen der Risikoanalyse sind:
- 1:1 Situationen in den Förderräumen – welche Gefahrenmomente erkennen wir?
- Gibt es räumliche Bedingungen die Gefahrenmomente begünstigen?
- Gibt es Möglichkeiten des Rückzugs?
- Welche Gelegenheiten gibt es im Alltag, die ein Problem im Bezug auf Nähe und Distanz begünstigen?
- Ist der Umgang mit Körperkontakt und Berührungen angemessen?
- Konfliktsituationen zwischen Klient*innen und Mitarbeitenden – inwiefern können hier Rechte von Kindern nicht ausreichend geachtet werden?
- Welche Verhaltensweisen, die von Kindern als übergriffig empfunden werden könnten, können wir als Mitarbeitende erkennen?
- Welche Gefahrenmomente gibt es im Bezug auf die Interaktion?
   * zwischen Kind und Kind
   * zwischen Kind und Therapeut
   * zwischen Therapeut und Familie
   * zwischen Mitarbeitenden
- Welche präventiven Maßnahmen sind bereits installiert?
- Wie gestalten sich Leitungs- und Entscheidungsstrukturen in unserer Einrichtung?
- Wie groß ist die Hinzunahme von Handlungsplänen als Unterstützung und Sicherheit des eigenen Verhaltens?
- Welche Bedürfnisse/Einschränkungen des Kindes/der Familien müssen wir beachten?
- Können Altersunterschied, Entwicklungsstand, fehlende Kommunikation und Teilhabe-Beeinträchtigungen ein Gefahrenmoment darstellen?
- Besteht eine hohe Personalfluktuation?
- Besteht die Möglichkeit zur sofortigen Klärung dieser Situationen?
- Wie ist die Gesprächskultur?
- Wie gestaltet sich die allgemeine Arbeitssicherheit?

Schlussfolgerungen aus der Risikoanalyse:
- In regelmäßigen Teamsitzungen werden wir das Thema Gewaltschutz und Prävention benennen und den Mitarbeitenden die hohe Bedeutung deutlich machen.
- Ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis ist weiterhin eine Grundlage, um eine Anstellung zu erhalten.
- Eine Begehung der Räumlichkeiten durch die Berufsgenossenschaft findet regelmäßig statt.
- Mitarbeitergespräche finden regelmäßig und zusätzlich nach Bedarf statt.
- Jeder Mitarbeiter kann einen Dritten benennen, der Teil dieses Gespräches seien soll. Die Gespräche haben immer den Teil des psychosozialen Empfindens als Inhalt.
- Wir haben einen allgemeinen Verhaltenskodex, welcher als „Anschwung-Gedanke“ transportiert wird.
- Ein ganzheitlicher Blick ist Grundlage dieses Gedankens. Jeder Mensch wird mit seinen Ressourcen gesehen.
- Ein Ablaufplan für einen möglichen Fall einer Kindeswohlgefährdung liegt vor.
- Die Möglichkeit sich Unterstützung oder eine Beratung beim Kinderschutzzentrum zu holen, besteht jederzeit.
- Ein wertschätzendes Miteinander wird durch alle Mitarbeitenden getragen.
- Regelmäßige Pausen und Rückzugsorte sind fest eingeplant und vorhanden.
- Es sind immer zeitgleich mindestens zwei Therapeut*innen anwesend, um Hilfe leisten zu können.
- Wir sind alle geschult in Erster Hilfe und Erster Hilfe am Kind.

4. Unser Leitbild „Der ANSCHWUNG-Gedanke“
Unsere heilpädagogische Arbeit basiert auf dem ganzheitlichen und positiven Menschenbild. Der Mensch wird mit allen seinen Ressourcen gesehen.

Wir agieren eng am und mit dem Menschen. Wir verhalten uns wertschätzend, annehmend, ganzheitlich, individuell, entwicklungszentriert, freundlich, zugewandt, problemlösend und ressourcenorientiert.

Wir bilden uns regelmäßig fort und sind offen für konstruktive Kritik.
Wir arbeiten mit allen Instanzen eng zusammen und haben stets ein offenes Ohr für alle Anliegen von außerhalb, aber auch innerhalb des Teams.


5. Personal
Im Bereich Personalwesen bemühen wir uns, unseren Schutzauftrag auf allen Ebenen ernst zu nehmen und umzusetzen. In regelmäßigen Teamsitzungen und den Einstellungsgesprächen wird den Mitarbeitenden das Gewaltschutzkonzept erläutert und näher gebracht.

Die Annahme der Wichtigkeit des Schutzauftrages ist Grundlage der Anstellung, ebenso wie die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses, welches alle 5 Jahre erneuert werden muss.

Mitarbeitergespräche werden dokumentiert und mit Zielsetzungen verstärkt. Diese Schriftstücke sind für Leitung und Mitarbeitende zugängig. Den Mitarbeitenden wird deutlich gemacht, dass sie sich immer an die Leitung oder ein Vertrauensperson aus der Praxis wenden können und auf ihre Bedürfnisse und psychosoziale Gesundheit acht geben sollen.

Die Einhaltung ausreichender Bürophasen zur Vor- und Nachbereitung sodass die Mitarbeitenden stressfreier agieren können.

Wir achten bei den Mitarbeitenden darauf, dass das Leitbild verinnerlicht und getragen wird. Bei Probearbeitsterminen achten wir darauf, wie sich die Hospitant*innen im Umgang mit Kindern, Familien und den Mitarbeitenden verhalten.

6. Kinderschutz / Partizipation/ Familien
Für die Eltern besteht die Möglichkeit anonymisiert mittels Fragebogen Kritik oder Verbesserungswünsche zu äußern, um unsere Arbeit ständig verbessern zu können. Grundlage unseres Gewaltschutzkonzept sind die Grundrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention § 8 SGB VIII und §45 SBG VIII.

Hier kurz zusammengefasst:

Gleichheit
Alle Kinder haben die gleichen Rechte. Kein Kind darf benachteiligt werden. (Artikel 2)

Gesundheit
Kinder haben das Recht gesund zu leben, Geborgenheit zu finden und keine Not zu leiden. (Artikel 24)

Bildung
Kinder haben das Recht zu lernen und eine Ausbildung zu machen, die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht. (Artikel 28)

Spiel und Freizeit
Kinder haben das Recht zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein. (Artikel 31)

Freie Meinungsäußerung und Beteiligung
Kinder haben das Recht bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen und zu sagen was sie denken.
(Artikel 12 und 13)

Schutz vor Gewalt
Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung. (Artikel 19, 32 und 34)

Zugang zu Medien
Kinder haben das Recht sich alle Informationen zu beschaffen die sie brauchen nd ihre eigene Meinung zu verbreiten. (Artikel 17)

Schutz der Privatsphäre und Würde
Kinder haben das Recht, dass ihr Privatleben und ihre Würde geachtet werden. (Artikel 16)

Schutz im Krieg und auf der Flucht
Kinder haben das Recht im Krieg und auf der Flucht besonders geschützt zu werden. (Artikel 22 und 38)

Besondere Fürsorge und Förderung bei Behinderung
Behinderte Kinder haben das Recht auf besondere Fürsorge und Förderung, damit sie aktiv am Leben teilnehmen können. (Artikel 23)

7. Prävention
Durch regelmäßige Überprüfung der bestehenden Schutzkonzepte und dem Lebendighalten des Themas Gewaltschutz und Kinderrechte schaffen wir eine innere präventive Haltung.
Durch die anonymisierten Fragebögen für die Eltern und Mitarbeitenden, worin ebenfalls das Thema „Gewaltschutz“ zu finden ist, reflektieren und verbessern wir unsere Arbeit ständig.

8. Zusammenarbeit mit Behörden
Wir arbeiten mit den kommunalen Jugendämtern, mit dem Kinderschutzzentrum, mit den Arbeitskreisen „Frühe Hilfen“, mit den Kooperationspartnern (Schulen, Kitas, Logopäden usw.), dem Streetworker, den Kinderärzten und den Fallmanagerinnen des LWL zusammen.

 
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