ANSCHWUNG-Gewaltschutzkonzept Gemeinschaftssinn
(aktualisiert 05.06.2025)
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Definition Vernachlässigung
3. Risikoanalyse
4. Unser Leitbild
5. Personal
6. Kinderrechte / Partizipation / Familien
7. Prävention
8. Zusammenarbeit mit Behörden
9. Handlungsplan
1. Einführung
Unsere heilpädagogische Praxis Anschwung ist eine vom BHP zertifizierte heilpädagogische Einrichtung mit zwei Standorten. Angeboten werden die Bereiche:
- heilpädagogische Frühförderung
- SI Mototherapie und -Diagnostik®
- Marburger Konzentrationstraining MKT
- positive/systemische Beratung
All diese Angebote finden mobil oder ambulant mit festen Terminen
einmal wöchentlich statt.
Um den unterschiedlichen Bedürfnissen unserer Klienten gerecht zu werden,
ist es uns wichtig, in einem Team unterschiedlichen Ausbildungen, Schwerpunkten und Ressourcen tätig zu sein.
Bei uns sind circa 14 Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen tätig:
- Heilpädagog*innen
- Motopäd*innen
- Kindheitspädagog*innen
- Erzieher*innen
- Rehabilitationspädagog*innen
- SI-Mototherapeut*innen®
Das Wohl und das Wachsen, die Entwicklung der Kinder und deren Familien
steht für uns im Mittelpunkt, ebenso wie das Wohl unserer Mitarbeiter*innen.
Dies schließt den damit verbundenen Schutzauftrag und die Sicherung
der Rechte von Kindern und den Mitarbeiter*innen unbedingt ein.
2. Definition Vernachlässigung
Als Vernachlässigung bezeichnet man eine wiederholte oder dauerhafte Unterlassung fürsorglichen Handelns der für die Sorge des Kindes verantwortlichen Personen, also der Eltern oder anderer autorisierter Betreuungspersonen.
Die körperlichen, seelischen, geistigen und materiellen Grundbedürfnisse
eines Kindes müssen befriedigt werden.
Hier geht es um:
- Angemessene Ernährung
- Pflege und Kleidung
- Angemessene Unterbringung
- Gesundheitssorge
- Materielle Ressourcen die zur altersgerechten Entwicklung notwendig sind
- Emotionale, intellektuelle und erzieherische Förderung
- Der Schutz des Kindes muss gewährleistet werden
Bei Anschwung definieren wir die Vernachlässigung eines Kindes
als Beziehungsstörung, da die Erziehungsberechtigten nicht fähig sind,
eine fürsorgliche und verantwortungsvolle Elternrolle einzunehmen.
Eigene Biographien der Eltern sowie Lebenskrisen können zu solchen Vernachlässigungen führen.
Formen der Vernachlässigung
Betroffen sind verschiedene Bereiche der Grundbedürfnisse der Kinder:
- Unzureichende Aufsicht
- Körperliche Vernachlässigung
- Psychosoziale Vernachlässigung
- Emotionale Vernachlässigung
- Kognitive Vernachlässigung
Eine Checkliste möglicher Anzeichen und deren Interpretation liegt abgeheftet
in unserem Büro und wird bei jeder Gefahreneinschätzung mit hinzugenommen.
Die Bewertung der unterschiedlichen Beobachtungen müssen im Team miteinander vorgenommen werden. Eigene Werte und interkulturelle Unterschiede finden hier Berücksichtigung.
Checkliste zur Beobachtung:
Fürsorge:
- Sind die Eltern trotz ihrer eigenen Einschränkungen in der Lage die Bedürfnisse
des Kindes wahrzunehmen und verantwortlich zu handeln?
- TV Konsum? Wieviel und was?
- Ist das Kind sich über längere Zeit, nicht altersentsprechender/
entwicklungsstandabhängiger Zeitraum, allein überlassen.
- Sind die Eltern suchtabhängig?
- Die Bezugspersonen wechseln ständig im häuslichen Umfeld
- Das Wohnumfeld ist nicht kindgerecht und sicher gestaltet
- Das Kind ist sich selbst überlassen in der Befriedigung der Grundbedürfnisse
- Der Tagesablauf ist nicht strukturiert
Körperpflege:
- Das Kind ist ungewaschen
- Mundhygiene des Kindes findet keine Beachtung
- Durchnässte Wäsche
- Dreck- und Stuhlreste im Genitalbereich/Gesäßbereich
- Hautbild, Ekzeme, Entzündungen
Kleidung:
- Kaputte, fleckige Kleidung
- Ständig nicht ausgetauschte, gleiche Kleidung
- Keine passende Kleidung
- Keine witterungsgemäße Kleidung
Ernährung:
- Das Kind nimmt kaum Gewicht zu
- Das Kind wächst langsamer als andere Kinder
- Das Kind wirkt hungrig und durstig, wenn es von den Eltern gebracht wird
- Beim Hautfaltentest am Bauch bleibt die Hautfalte stehen oder verstreicht
nur langsam
Krankheitsfürsorge:
- Das Kind kommt häufig krank in die Einrichtung
- Das Kind wird auffallend häufig von den Eltern krankgemeldet
und kommt nur unregelmäßig
- Arztbesuche erfolgen nicht
- Entwicklungsverzögerungen werden nicht wahrgenommen, sogar negiert
- Behinderungen werden nicht wahrgenommen, sogar negiert
- Verweigerung von Zusammenarbeit oder Aufnahme therapeutischer Arbeit
- Interessenlosigkeit der Erziehenden für die Förderung und die Entwicklung des Kindes
Umgang mit dem Kind:
- Wenig Ansprache und Unterhaltung mit dem Kind
- Das Spielzeug ist nicht altersentsprechend, es wird nicht mit dem Kind gespielt
- Keine körperliche Nähe, wie Trost, Lob, Zuwendung, Zärtlichkeit, Bestätigung
- Das Kind wird oft ignoriert
- Einschüchterung des Kindes
- Zuwendung nur nach Bedürfnisse der Eltern
Entwicklungsangebote zur Persönlichkeitsentwicklung:
- Eltern können das Kind nicht oder nur unzureichend beschreiben
- Keine Kenntnisse über Bedürfnisse, Wünsche, Interessen des Kindes
- Kaum Kontakt zu anderen Kindern im häuslichen Umfeld
- Kaum Bewegungsfreiheit / Bewegungsmöglichkeiten im häuslichen Umfeld
- Interessen des Kindes werden nicht abgefragt und /oder berücksichtigt
- Altersgemäße Beschäftigungsmaterialien sind nicht vorhanden
- Keine Grenzen in der Erziehung
- Zu enge Grenzen in der Erziehung
- Keine Erklärungen für Regeln, Grenzen, Verbote
- Das Kind wird zu Aufgaben eingesetzt, die nicht altersgemäß sind
- Keine Freizeitmöglichkeit für das Kind
- Kind muss immer wieder Konflikte der Eltern sehen/hören
- Ständig wechselnde Bezugspersonen
- Psychisch labile Eltern
- Das Kind ist häufig alleine zuhause ohne Aufsicht und Betreuung
- Das Kind wird häufig angeschrien und /oder körperlich gezüchtigt
- Das Kind wird eingesperrt
Praxisbesuch:
- Häufiges zu spät kommen zur Förderung
- Erscheinen zu falschen Uhrzeiten
- Das Kind wird nicht abgemeldet
- Verspätetes Abholen des Kindes nach der Förderung
- Materialien zur Förderung fehlen
- Unterschriften werden nicht geleistet
- Kooperationen werden nicht gestattet (keine Schweigepflichtsentbindung
zum Austausch)
- Bestehen Fragen oder Bedenken zum Kindeswohl wird der Austausch
mit anderen Einrichtungen gesucht
3. Risikoanalyse
In unserem Gewaltschutzkonzept berücksichtigen wir unsere gesamte Praxis
mit all ihren Tätigkeitsfeldern. Mit der Risikoanalyse gehen wir den ersten Schritt
zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden für die Verletzlichkeiten unserer Klienten
und die Risiken für Machtmissbrauch und Gewalt in manchen Arbeitsbedingungen.
In den Sanitärräumen, dem Büro und Wartebereich machen wir Familien und Mitarbeiter*innen auf die Risikoanalyse aufmerksam und mit den Möglichkeiten
der Teilnahme vertraut.
Schwerpunkte und Fragen der Risikoanalyse sind:
- 1:1 Situationen in den Förderräumen – welche Gefahrenmomente erkennen wir?
- Gibt es räumliche Bedingungen die Gefahrenmomente begünstigen?
- Gibt es Möglichkeiten des Rückzugs?
- Welche Gelegenheiten gibt es im Alltag, die ein Problem in Bezug auf Nähe
und Distanz begünstigen?
- Ist der Umgang mit Körperkontakt und Berührungen angemessen?
- Konfliktsituationen zwischen Klient*innen und Mitarbeitenden – inwiefern können hier Rechte von Kindern nicht ausreichend geachtet werden?
- Welche Verhaltensweisen, die von Kindern als übergriffig empfunden werden könnten, können wir als Mitarbeitende erkennen?
- Welche Gefahrenmomente gibt es in Bezug auf die Interaktion?
* zwischen Kind und Kind
* zwischen Kind und Therapeut
* zwischen Therapeut und Familie
* zwischen Mitarbeitenden
- Welche präventiven Maßnahmen sind bereits installiert?
- Wie gestalten sich Leitungs- und Entscheidungsstrukturen in unserer Einrichtung?
- Wie groß ist die Hinzunahme von Handlungsplänen als Unterstützung und Sicherheit des eigenen Verhaltens?
- Welche Bedürfnisse/Einschränkungen des Kindes/der Familien müssen wir beachten?
- Können Altersunterschied, Entwicklungsstand, fehlende Kommunikation
und Teilhabe-Beeinträchtigungen ein Gefahrenmoment darstellen?
- Besteht eine hohe Personalfluktuation?
- Besteht die Möglichkeit zur sofortigen Klärung dieser Situationen?
- Wie ist die Gesprächskultur?
- Wie gestaltet sich die allgemeine Arbeitssicherheit?
Schlussfolgerungen aus der Risikoanalyse:
- In regelmäßigen Teamsitzungen werden wir das Thema Gewaltschutz und Prävention benennen und den Mitarbeitenden die hohe Bedeutung deutlich machen.
- Ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis ist weiterhin eine Grundlage,
um eine Anstellung zu erhalten.
- Eine Begehung der Räumlichkeiten durch die Berufsgenossenschaft
findet regelmäßig statt.
- Mitarbeitergespräche finden regelmäßig und zusätzlich nach Bedarf statt.
- Jeder Mitarbeiter kann einen Dritten benennen, der Teil dieses Gespräches seien soll. Die Gespräche haben immer den Teil des psychosozialen Empfindens als Inhalt.
- Wir haben einen allgemeinen Verhaltenskodex, welcher als „Anschwung-Gedanke“ transportiert wird.
- Ein ganzheitlicher Blick ist Grundlage dieses Gedankens. Jeder Mensch
wird mit seinen Ressourcen gesehen.
- Ein Ablaufplan für einen möglichen Fall einer Kindeswohlgefährdung liegt vor.
- Die Möglichkeit sich Unterstützung oder eine Beratung beim Kinderschutzzentrum zu holen, besteht jederzeit.
- Ein wertschätzendes Miteinander wird durch alle Mitarbeitenden getragen.
- Regelmäßige Pausen und Rückzugsorte sind fest eingeplant und vorhanden.
- Es sind immer zeitgleich mindestens zwei Therapeut*innen anwesend,
um Hilfe leisten zu können.
- Wir sind alle geschult in Erster Hilfe und Erster Hilfe am Kind.
Konkreter Bezug auf die Praxis Anschwung:
In der Teamsitzung wurde mit allen Teamern besprochen, wie wir unsere Klient*innen und Familien und Mitarbeitenden vor Gewalt schützen.
Das Ergebnis ist die Einhaltung des Leitbildes, des „ANSCHWUNG-Gedankens“.
Dabei wurde deutlich, dass in unserer Einrichtung bislang nur Vorstufen von gewalttätigem Verhalten aufgetreten sind.
Auslöser für solche unerwünschten Verhaltensweisen (festhalten, abhalten, gegen den Willen des Kindes Handlungen ausführen) konnten zumeist als Folge von unklaren Grenzen und Regeln bestimmt werden. Daher ist es im ersten Schritt notwendig anhand eines wissenschaftlich fundierten und sozial akzeptierten pädagogischen Leitbilds die bei uns im Team gültigen Regeln und Grenzen zu formulieren.
Aufstellen von Regeln und Grenzen:
Regeln und Grenzen sind wesentlicher Bestandteil des Gewaltschutzkonzepts,
da sie den Menschen Orientierung, Sicherheit und die Entwicklung sozialer Kompetenzen ermöglichen. Sie helfen den Menschen, soziale Normen zu verstehen, angemessenes Verhalten zu erlernen und ihre eigenen Handlungen zu reflektieren.
Gründe für Regeln und Grenzsetzungen:
1. Sicherheit:
Regeln helfen dabei, die physische Sicherheit der Menschen zu gewährleisten. Sie legen Grenzen fest, um Verletzungen zu vermeiden, Gefahren zu erkennen und Schutzmaßnahmen umzusetzen. Zum Beispiel sollte die Grenze eines jeden beachtet werden, keine Fremdverletzungen.
2. Soziales Lernen:
Regeln und Grenzsetzungen ermöglichen es den Menschen, soziale Normen
und angemessenes Verhalten zu verstehen. Sie lernen, dass gewisse Verhaltensweisen akzeptiert sind und andere nicht. Beispielsweise gilt die Regel, dass man anderen Menschen gegenüber respektvoll, wertschätzend, achtsam und freundlich sein sollte.
3. Struktur und Vorhersehbarkeit:
Menschen profitieren von einer strukturierten Umgebung, in der sie wissen, was von ihnen erwartet wird. Dies ermöglicht es ihnen, sich sicher und geborgen zu fühlen und ihre Handlungen besser zu organisieren.
4. Selbstregulation:
Durch die Einhaltung von Regeln lernen Menschen, ihre eigenen Impulse zu kontrollieren und ihr Verhalten anzupassen. Sie entwickeln Fähigkeiten zur Selbstregulation und lernen, Konflikte auf angemessene Weise zu lösen. Beispielsweise besagt eine Regel, dass jedes Individuum gesehen wird. Partizipation in der Förderung und Mitgestaltung der Förderinhalte, Repräsentation der Bedürfnislage, Ressourcenorientierung usw.
5. Gemeinschaftssinn:
Regeln fördern das Verständnis für das Gemeinwohl und das Zusammenleben
in einer Gruppe. Menschen lernen, dass ihre Handlungen Auswirkungen auf andere haben können und dass Rücksichtnahme und Zusammenarbeit wichtig sind. Eine Regel lautet, dass man den Raum ordentlich hinterlässt und seine persönlichen Dinge an den dafür vorgesehenen Orten lässt.
6. Beziehungsebene stärken:
Regeln werden auch individuell ausgehandelt und spiegeln die persönlichen Toleranzen und Befindlichkeiten wider. Die Art und Weise wie Regeln und Grenzen gesetzt werden, kennzeichnet die Persönlichkeit der Fachkraft und prägt die Beziehung zum Menschen. Man benötigt die fachliche Kompetenz eine wirksame Grenze zu ziehen. Es ist wichtig, dass die Beziehungsebene zuerst gut funktioniert. Dann formuliert man im Rahmen des pädagogischen Leitbilds seine eigenen Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf Regeln und Grenzen.
Eine Feedbackmöglichkeit ist hierbei Grundlage.
Diese Übersicht verdeutlicht den Sinn von Regeln und Grenzsetzungen im heilpädagogischen Umgang mit Frühförderkindern:
Sinn von Regeln und Grenzsetzungen
Praktische Beispiele:
Sicherheit - Achtung auf andere Menschen
- Schutz vor Stürzen
- Handläufe
- Keine verschlossenen Türen,
Zugang jederzeit möglich
- Ständige Erreichbarkeit der Leitung
Soziales Lernen - Andere nicht verletzen
- Teilen erlernen
- Als Team fungieren
- Wünsche erfragen
Struktur und Vorhersehbarkeit
- feste Rituale
- feste Erreichbarkeiten/ Arbeitszeiten/Termine
Selbstregulation
- Konflikte gewaltfrei z.B. mit Sprache lösen
Gemeinschaftssinn
- Abwarten bis man an der Reihe ist
- Aufgaben teamgerecht erledigen
Beziehungsebene stärken
- Rücksicht auf Bedürfnisse anderer
Regeln und Grenzsetzungen sollen altersgerecht und klar kommuniziert werden.
Die Fachkräfte in unserem Team haben die Aufgabe, die Frühförderkinder bei der Einhaltung der Regeln zu unterstützen, ihnen die Bedeutung zu erklären und positive Verhaltensweisen zu stärken. Es ist wichtig, dass Regeln beharrlich und fair durchgesetzt werden, um eine einheitliche und sichere Lern- und Lebensumgebung zu schaffen.
Lernförderliche Umgebung
Die Räume sind kindgerecht gestaltet und bieten verschiedene Bereiche für Spiel,
Ruhe und Lernen. Es gibt ausreichend Platz für Bewegung und Exploration. Sicherheitsmaßnahmen wie kindersichere Steckdosen und abgerundete Ecken
sind vorhanden, um potenzielle Gefahrenquellen zu minimieren. Die Frühförderstelle bietet eine vielfältige Auswahl an altersgerechten Spiel- und Lernmaterialien, die die kognitive, motorische und sprachliche Entwicklung der Kinder fördern.
Zum Beispiel können Puzzles, Bausteine, Bücher und Fahrzeuge genutzt werden.
Der Ablauf der Frühförderstunde ist strukturiert und gibt den Kindern Sicherheit
und Orientierung. Es gibt Phasen für das Ankommen, Aktivitäten wie gemeinsames Spielen, kreatives Gestalten, freies Spiel und das Aufräumen und Abholen.
Dadurch entsteht eine verlässliche Routine, die den Kindern hilft, sich sicher
und geborgen zu fühlen. In der Frühförderstelle wird viel Wert auf eine förderliche Kommunikationsumgebung gelegt. Es werden beispielsweise Rituale und Bildkarten eingesetzt, um die Kommunikation zwischen den Kindern und den heilpädagogischen Fachkräften zu erleichtern. Dadurch werden Sprachentwicklung und Verständigung gefördert.
Prävention von Gewalt
Im Fachteam wird im Sinne des pädagogischen Leitbilds und der lernförderlichen Umgebung regelmäßig miteinander gesprochen und sensibilisiert, um Gewalt zu erkennen, zu verhindern und angemessen darauf zu reagieren.
Für die Frühförderkinder werden Verhaltensregeln aufgestellt, die ein gewaltfreies Miteinander fördern. Zum Beispiel werden Regeln wie "Wir behandeln uns gegenseitig respektvoll" oder "Wir lösen Konflikte friedlich" aufgestellt.
Die Frühförderkinder werden darin unterstützt, Konflikte konstruktiv zu lösen. Sie lernen beispielsweise Gefühle zu benennen, Perspektiven anderer zu verstehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dabei werden sie von den heilpädagogischen Fachkräften angeleitet und unterstützt. Die Eltern werden über das Gewaltschutzkonzept informiert und in die Präventionsmaßnahmen einbezogen. Sie erhalten beispielsweise Informationen über Anzeichen von Gewalt, Möglichkeiten der Unterstützung und werden ermutigt, bei Bedarf die Fachkraft und/oder die Leitung zu kontaktieren. Ebenso werden die Mitarbeitenden in jegliche Veränderungen einbezogen und sie haben stets die Möglichkeit des Austauschs und der Mitgestaltung.
Intervention bei Gewaltvorfällen
Die heilpädagogischen Fachkräfte in unserem Team sind geschult, um Anzeichen
von Gewalt frühzeitig zu erkennen. Durch eine aufmerksame Beobachtung können sie mögliche Gewaltvorfälle rechtzeitig identifizieren. Formen von Gewalt, die in oder im Umfeld einer heilpädagogischen Frühförderstelle auftreten können.
In einer heilpädagogischen Frühförderstelle können verschiedene Formen von Gewalt auftreten:
1. Körperliche Gewalt:
Dies umfasst jegliche Form von körperlichem Angriff oder Missbrauch gegenüber
einem Kind, wie Schlagen, Treten, Festhalten oder das Zufügen von Verletzungen.
2. Verbale Gewalt:
Verbal gewalttätiges Verhalten beinhaltet beleidigende, herabwürdigende oder bedrohliche Äußerungen gegenüber einem Kind. Es kann auch Schimpfwörter,
Mobbing oder das Anschreien von Kindern umfassen.
3. Emotionale Gewalt:
Emotionale Gewalt umfasst Handlungen, die das emotionale Wohlbefinden
eines Kindes beeinträchtigen, wie ständige Kritik, Demütigung, Einschüchterung, Ignorieren oder Ablehnung.
4. Sexueller Missbrauch:
Sexueller Missbrauch beinhaltet jegliche sexuellen Handlungen, die gegen den Willen oder das Verständnis des Kindes stattfinden. Dies umfasst unangemessene Berührungen, sexuelle Belästigung, Exhibitionismus oder erzwungene sexuelle Handlungen.
5. Vernachlässigung:
Vernachlässigung tritt auf, wenn die Grundbedürfnisse eines Kindes, wie Nahrung, Unterkunft, medizinische Versorgung oder emotionale Zuwendung,
nicht angemessen erfüllt werden.
6. Psychische Gewalt:
Diese beinhaltet Handlungen, die das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen
und die psychische Gesundheit eines Kindes beeinträchtigen. Dazu gehören
etwa Drohungen, Einschüchterung, Manipulation oder das Isolieren eines Kindes.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Formen von Gewalt in jeder Umgebung auftreten können, einschließlich unserer Frühförderstelle. Das Gewaltschutzkonzept zielt darauf ab, solche Gewaltformen zu verhindern, frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren, um das Wohlbefinden der Kinder zu gewährleisten.
4. Unser Leitbild „Der ANSCHWUNG-Gedanke“
Unsere heilpädagogische Arbeit basiert auf dem ganzheitlichen und positiven Menschenbild. Der Mensch wird mit allen seinen Ressourcen gesehen.
Wir agieren eng am und mit dem Menschen. Wir verhalten uns wertschätzend, annehmend, ganzheitlich, individuell, entwicklungszentriert, freundlich,
zugewandt, problemlösend und ressourcenorientiert.
Wir bilden uns regelmäßig fort und sind offen für konstruktive Kritik.
Wir arbeiten mit allen Instanzen eng zusammen und haben stets ein offenes Ohr
für alle Anliegen von außerhalb, aber auch innerhalb des Teams.
Umgang mit dem Gewaltschutz:
Handlungsleitfaden im Fall von Gewaltvorfällen im Gewaltschutzkonzept
wird ein Handlungsleitfaden für den Fall von Gewaltvorfällen festgelegt.
Der Handlungsleitfaden gibt klare Anweisungen, wie die Fachkräfte in unserem Team bei Gewaltvorfällen vorgehen sollen. Dazu gehören Schritte wie die sofortige Trennung der beteiligten Kinder, die Sicherstellung der Sicherheit des betroffenen Kindes, das Beruhigen der Situation und das Ermitteln von Informationen über den Vorfall.
Es ist auch festgelegt, wie die Zusammenarbeit mit den Eltern und gegebenenfalls mit Behörden erfolgen soll. Alle Gewaltvorfälle und Interventionen werden dokumentiert, um eine umfassende Aufzeichnung zu gewährleisten.
Dies dient der Nachvollziehbarkeit, dem Schutz der betroffenen Kinder
und der Weiterentwicklung des Gewaltschutzkonzepts.
Der Handlungsleitfaden im Fall von Gewaltvorfällen besteht aus diesen Inhalten:
1. Sofortiges Eingreifen:
- Wir trennen die beteiligten Personen/Kinder sofort voneinander, um weitere Gewalt zu verhindern und die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten.
- Wir beruhigen die Situation und sorgen für einen geschützten Raum, in dem das betroffene Kind zur Ruhe kommen kann.
- Wir sprechen Hausverbote für aggressive Mitmenschen aus, die den Schutz
der anderen gefährden könnte.
- Wir holen uns externe Netzwerk- und Beratungshilfen.
2. Sicherheit des betroffenen Kindes gewährleisten:
- Wir sprechen beruhigend mit dem betroffenen Kind und zeigen Empathie.
- Wir stellen sicher, dass das Kind in Sicherheit ist und keine weiteren
Bedrohungen besteht.
- Wir bieten gegebenenfalls medizinische oder psychologische Unterstützung
an oder vermitteln diese.
- Wir halten uns an Umgangsvereinbarungen bei strittigen
Elternteilen/Sorgeberechtigten.
- Wir bieten Umgangskontakte in der Einrichtung an.
3. Dokumentation des Vorfalls:
- Wir nehmen unmittelbar nach dem Vorfall detaillierte Notizen über das Geschehen auf, einschließlich Datum, Uhrzeit, Beschreibung der Gewalttat und beteiligter Personen.
- Wir dokumentieren Verletzungen, sichtbare Spuren oder andere Hinweise auf Gewalt.
- Wir führen eine ausführliche Beschreibung des Verhaltens
des betroffenen Kindes und möglicher Zeugenaussagen auf.
4. Zusammenarbeit mit den Eltern:
- Wir informieren umgehend die Eltern des betroffenen Kindes über den Vorfall.
- Wir bieten Unterstützung und Beratung an, um gemeinsam eine angemessene
Reaktion zu entwickeln.
- Wir klären die Eltern über die weiteren Schritte auf, die unternommen werden,
um die Sicherheit und das Wohlbefinden des Kindes zu gewährleisten.
- Es gibt stets eine Feedbackmöglichkeit, es wird auf Partizipation geachtet.
5. Kommunikation mit anderen Fachkräften:
- Wir informieren andere pädagogische Fachkräfte und Mitarbeitende der Frühförderstelle über den Gewaltvorfall, soweit es für die Sicherheit und Betreuung des betroffenen Kindes notwendig ist.
- Wir arbeiten gemeinsam an Lösungen, um weitere Gewalt zu verhindern
und die Sicherheit aller zu gewährleisten.
6. Zusammenarbeit mit Behörden:
- Wenn der Gewaltvorfall schwerwiegend ist oder das Wohl des betroffenen Kindes
gefährdet ist, kontaktieren wir gegebenenfalls das zuständige Jugendamt oder die Polizei. Die Zusammenarbeit mit dem Kinderschutzzentrum des Märkischen Kreises ist gegeben.
7. Unterstützung und Begleitung des betroffenen Kindes:
- Wir bieten dem betroffenen Kind eine sichere und unterstützende Umgebung.
- Wir arbeiten eng mit anderen Fachkräften zusammen, um angemessene Unterstützung und Begleitung anzubieten.
5. Personal
Im Bereich Personalwesen bemühen wir uns, unseren Schutzauftrag auf allen Ebenen ernst zu nehmen und umzusetzen. In regelmäßigen Teamsitzungen und den Einstellungsgesprächen wird den Mitarbeitenden das Gewaltschutzkonzept erläutert und nähergebracht.
Die Annahme der Wichtigkeit des Schutzauftrages ist Grundlage der Anstellung,
ebenso wie die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses,
welches alle 5 Jahre erneuert werden muss.
Mitarbeitergespräche werden dokumentiert und mit Zielsetzungen verstärkt. Diese Schriftstücke sind für Leitung und Mitarbeitende zugängig. Den Mitarbeitenden wird deutlich gemacht, dass sie sich immer an die Leitung oder eine Vertrauensperson aus der Praxis wenden können und auf ihre Bedürfnisse und psychosoziale Gesundheit achtgeben sollen.
Die Einhaltung ausreichender Bürophasen zur Vor- und Nachbereitung,
sodass die Mitarbeitenden stressfreier agieren können.
Wir achten bei den Mitarbeitenden darauf, dass das Leitbild verinnerlicht
und getragen wird. Bei Probearbeitsterminen achten wir darauf, wie sich die Hospitant*innen im Umgang mit Kindern, Familien und den Mitarbeitenden verhalten.
Der nachfolgende Verhaltenskodex wird von allen Mitarbeitenden am Ende
des Gewaltschutzkonzeptes unterzeichnet.
Die Freiheit des einen hört da auf, wo die Freiheit des anderen beginnt. (Ruth Cohn)
Die Kinder werden als aktiver Gestalter wahrgenommen. Sie werden bei jedem Berührungsprozess aktiv um Zustimmung gefragt. Sie werden nur wenn nötig
und stets mit Erlaubnis von Ihnen und den Erziehungspersonen berührt.
Auf eine gewaltfreie Kommunikation wird geachtet, indem es z.B. keine Kosenamen für die Kinder gibt und keine Verniedlichungen in Bezug auf die Kinder benutzt werden.
Die Partizipation der Kinder bietet uns die Möglichkeit, dass es zu keinem Machtmissbrauch in der Ausführung der Fördereinheiten kommt.
6. Kinderschutz / Partizipation/ Familien
Für die Eltern besteht die Möglichkeit anonymisiert mittels Fragebogen Kritik
oder Verbesserungswünsche zu äußern, um unsere Arbeit ständig verbessern
zu können. Grundlage unseres Gewaltschutzkonzept sind die Grundrechte
aus der UN-Kinderrechtskonvention § 8 SGB VIII und §45 SBG VIII.
Hier kurz zusammengefasst:
Gleichheit
Alle Kinder haben die gleichen Rechte. Kein Kind darf benachteiligt werden.
(Artikel 2)
Gesundheit
Kinder haben das Recht gesund zu leben, Geborgenheit zu finden und keine Not zu leiden. (Artikel 24)
Bildung
Kinder haben das Recht zu lernen und eine Ausbildung zu machen,
die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht. (Artikel 28)
Spiel und Freizeit
Kinder haben das Recht zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein. (Artikel 31)
Freie Meinungsäußerung und Beteiligung
Kinder haben das Recht bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen
und zu sagen, was sie denken. (Artikel 12 und 13)
Schutz vor Gewalt
Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung. (Artikel 19, 32 und 34)
Zugang zu Medien
Kinder haben das Recht sich alle Informationen zu beschaffen die sie brauchen und ihre eigene Meinung zu verbreiten. (Artikel 17)
Schutz der Privatsphäre und Würde
Kinder haben das Recht, dass ihr Privatleben und ihre Würde geachtet werden. (Artikel 16)
Schutz im Krieg und auf der Flucht
Kinder haben das Recht im Krieg und auf der Flucht besonders geschützt zu werden. (Artikel 22 und 38)
Besondere Fürsorge und Förderung bei Behinderung
Behinderte Kinder haben das Recht auf besondere Fürsorge und Förderung, damit sie aktiv am Leben teilnehmen können. (Artikel 23)
7. Prävention
Durch regelmäßige Überprüfung der bestehenden Schutzkonzepte und dem Lebendighalten des Themas Gewaltschutz und Kinderrechte schaffen wir
eine innere präventive Haltung.
Durch die anonymisierten Fragebögen für die Eltern und Mitarbeitenden,
worin ebenfalls das Thema „Gewaltschutz“ zu finden ist, reflektieren und verbessern wir unsere Arbeit ständig.
Es gibt in beiden Praxen einen Briefkasten, welcher für das Beschwerdemanagement genutzt wird (siehe Konzeption Praxis Anschwung).
Den Kindern wird die Möglichkeit gegeben mit Hilfe von Smileys die Stunde
zu bewerten. Das Einhalten des Gewaltschutzkonzeptes und der inneren „Anschwung“ Haltung wird mittels Unterschrift der Mitarbeitenden bestätigt, somit kann präventiv gehandelt werden.
Sexualsensibles Verhalten:
Entwicklungspsychologische Wissen über Sexualität der zu fördernde Kinder wird in Teamsitzungen geschult. Den Kindern wird die Möglichkeit gegeben, unter Berücksichtigung der eigenen Grenzen des Mitarbeitenden, seine Sexualität zu erleben.
Zum Beispiel ist es den Kindern erlaubt sich an Stellen zu berühren,
aber nichts einzuführen. Gewaltfreie Sprache herrscht stets.
8. Zusammenarbeit mit Behörden
Wir arbeiten mit den kommunalen Jugendämtern, mit dem Kinderschutzzentrum, mit den Arbeitskreisen „Frühe Hilfen“, mit den Kooperationspartnern (Schulen, Kitas, Logopäden usw.), dem Streetworker, den Kinderärzten und den Fallmanagerinnen des LWL zusammen.
Außerdem besteht die Zusammenarbeit mit dem Träger der Eingliederungshilfe
gemäß des Landesrahmenvertrag nach §131 SGB IX insbesondere nach Anlage F.
Außerdem werden Strafverfolgungsbehörden zur Hilfe gezogen wie z.B. die Polizei.
9. Handlungsplan
Vorgehen bei einem Vermutungsfall:
1. Person schützen, Beteiligte auseinander bringen (jeder Therapeut*in)
2. Hilfen einholen, Kollegen hinzuziehen (allen Teamern)
3. Frau Anke Lohbeck (Inhaberin und Leitung) und/oder Frau Aileen Hänsel (Leitung) informieren, weiteres Vorgehen besprechen (wenn Leitung nicht möglich, stellvertretende Leitung kontaktieren)
4. Eltern informieren ggf. äußere Instanz einschalten
((bei Kindeswohlgefährdungsvermutung Jugendamt Lüdenscheid/Meinerzhagen
oder Polizei MK, Austausch mit den Fallmanagern LWL, Fachberatung
Kinderschutzzentrum- (Wir unterliegen der Schweigepflicht und geben)
ausschließlich an diese oben genannten Instanzen Informationen heraus))
Geht Gewalt von Mitarbeitenden aus, werden diese abgemahnt oder fristlos entlassen.
Die strafrechtliche Verfolgung erfolgt dann. Die Leitung entscheidet und nimmt
den Kontakt auf.
5. Alles Dokumentieren in der Akte, auf die dafür vorgesehenen Zettel,
direkt im Anschluss.
6. Reflexion und Gespräche zur Verarbeitung des Geschehenen.
Nachdem es einen Fall gegeben hat, wird im Team reflektiert, wie man anders hätte handeln können, ob der Ablauf regelrecht war und welche Veränderungen angestrebt werden müssen.
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©Heilpädagogische Praxis Anschwung 2024 – Anke Lohbeck-Hüttebreucker & Aileen Hänsel